BGH v. 05.11.2014 – XII ZB 599/13 (FamRZ 2015, 236)

Die Antragstellerin (Unterhaltsvorschusskasse) machte gegenüber dem Antragsgegner (Kindesvater) aus übergegangenem Recht Kindesunterhalt (Mindestunterhalt) geltend. Der Antragsgegner wendete gegen den Unterhaltsanspruch im Wesentlichen ein, dass eine Unterhaltsverpflichtung bereits dem Grunde nach nicht bestünde, da ein Wechselmodell praktiziert wird. Der Antragsgegner betreute die Kinder an 6 von 14 Tagen, was einem Betreuungsanteil von rund 43 % entspricht. An den übrigen Tagen (57%) wurden die Kinder von der Mutter betreut.

Keine Befreiung von der Barunterhaltsverpflichtung wegen Wechselmodell

Der Bundesgerichtshof stellte zunächst klar, dass die Kindesbetreuung im Wege eines sogenannten Wechselmodells nicht dazu führt, dass die Barunterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern entfällt. Dies folge schon daraus, dass anderenfalls beide Elternteile von der Barunterhaltsverpflichtung befreit würden, obwohl nur der Betreuungs- und nicht der Barbedarf der Kinder gedeckt sei.

Beiderseitige Barunterhaltspflicht bei Wechselmodell

Vielmehr führt ein Wechselmodell dazu, dass beide Elternteile (quotal) für den Barunterhalt der Kinder einzustehen haben. Der Bedarf der Kinder bemisst sich in diesen Fällen nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst auch die Mehrkosten des Wechselmodells (zum Beispiel erhöhte Wohn- und Fahrtkosten). In der Regel führt das Wechselmodell also dazu, dass der Bedarf der Kinder höher liegt als beim gewöhnlichen „Residenzmodell“.

Verfahrensrechtlich führt das echte Wechselmodell dazu, dass kein Elternteil die Obhut über das Kind innehat. Möchte ein Elternteil den anderen Elternteil auf (anteiligen) Kindesunterhalt in Anspruch nehmen, so kann entweder ein Ergänzungspfleger für das Kind bestellt werden oder beantragt werden, die Entscheidung über die Geltendmachung von Kindesunterhat allein auf ihn zu übertragen (s. auch OLG Hamm v. 26.08.2014 – 19 UF 163/14 u. OLG Hamburg v. 27.10.2014 – 7 UF 124/14) .

Definition Wechselmodell

Ein Wechselmodell liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, sodass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. Dabei komme der zeitlichen Komponente zwar eine Indizwirkung zu, jedoch habe sich die Beurteilung der Frage, ob ausnahmsweise ein Wechselmodell vorliegt, allein hierauf nicht zu beschränken.

Kein Wechselmodell bei 57 % zu 43 %

Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass allein der Umstand, dass der Antragsgegner einen Betreuungsanteil von 43 % erbringt nicht dazu führen würde, dass ein Wechselmodell vorliegen würde. Die Eltern würden sich allein dadurch nicht so in der Betreuung des Kindes abwechseln, dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt.

Schwergewicht der Betreuung einem Elternteil weiterhin i.d.R. zuzuordnen

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs würde das Schwergewicht der Betreuung nach wie vor bei der Kindesmutter liegen.  Die Kindesmutter würde ihrer Unterhaltsverpflichtung daher weiterhin allein durch die („57%-ige“) Pflege und Erziehung des Kindes nachkommen.

Lediglich Wahrnehmung eines erweiterten Umgansgrechts

Der  Antragsgegner (Kindesvater) würde lediglich ein über das übliche Maß hinausgehendes Umgangsrecht wahrnehmen, dass sich einer Mitbetreuung „annähern“, jedoch keine solche darstellen würde.

Herabstufung des Kindesunterhaltsbedarfs

Die Wahrnehmung dieses erweiterten Umgangsrechts führe aber ggf. dazu, dass der Unterhaltsbedarf der Kinder bereits (teilweise) gedeckt sei. Ferner könne diesem Umstand dadurch Rechnung getragen werden, dass der Unterhaltsbedarf der Kinder durch eine entsprechende Herabstufung der Düsseldorfer Tabelle gemindert wird.

 

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